Keynote_Faber-Wiener_2024

Keynote Gabriele Faber-Wiener, INSPIRE Konferenz, 22. Oktober 2024

Transformation und Nachhaltigkeit – wie schaffen wir die Wende?

Elf Thesen der Keynote auf einen Blick

  1. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit verlangt, aus der Zukunft heraus zu denken.
  2. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit bedeutet, an die Wurzeln zu gehen. 
  3. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit ist unbequem und macht Angst. 
  4. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit hat viele Hürden
  5. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit geht nicht über die Regulatorik 
  6. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit verlangt eine andere Grundhaltung
  7. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit verlangt langfristiges Denken
  8. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit kostet – und bringt – Geld
  9. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit verlangt ein modernes Leadership-Verständnis. 
  10. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit bedeutet echter Dialog 
  11. Transformation in Richtung Nachhaltigkeit braucht eine andere Sprache

Der ausführliche Vortrag ist hier verfügbar.

Transformation bedeutet nichts geringeres als fundamentaler Wandel. Den Begriff gibt es in vielen Disziplinen, von der Politikwissenschaft, der Genetik, der Linguistik oder kurioserweise auch der Militärwissenschaft. Es geht immer um Wandel – und das ist mehr als eine kleine Korrektur. 

Heute geht es um die sozial-ökologische Transformation. Ziel ist unter anderem die Dekarbonisierung, das bedeutet weg von der „fossilnuklearen“ Wirtschaftsweise, die wir in den letzten 250 Jahren hatten. Das ist eine große Ambition. Darum reden wir auch von einer „großen Transformation“, einem „fundamentalen Wandel, einem Umbau der Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen, um – wie es der wissenschaftliche Beirat der deutschen Bundesregierung formuliert: „irreversible Schädigungen des Erdsystems, von Ökosystemen und deren Auswirkungen auf die Menschheit zu vermeiden“. 

Dieser Anspruch geht deutlich über bisherige Ansätze hinaus. Diese basieren zumeist immer noch auf der Annahme, dass wir diesen Übergang allein mit Technologien und Investitionen erreichen können, ohne unseren Lebensstil zu ändern. Das ist ein Wunschtraum, der leider auch von so manchen Parteien propagiert wird, wie wir zuletzt im österreichischen Nationalrats-Wahlkampf wieder erlebt haben. 

In Wirklichkeit stecken wir schon mitten in dieser Transformation, in diesem multiplen Paradigmenwechsel. Das ist offensichtlich. Ein Beispiel: Ich leite seit 4 Jahren VBV im Diskurs. Das ist eine Online-Diskussionsreihe, die von der VBV gehostet wird und wo es um Themen von Wirtschaft und Nachhaltigkeit geht. Dort gibt es ein Wort, das sich durch alle 24 Folgen durchgezogen hat. Nämlich Transformation, die Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. 

Damit sind wir bei der Nachhaltigkeit. Diese ist mindestens so komplex und wird oft ebenso oft missverstanden wie Transformation. Für viele bedeutet Nachhaltigkeit immer noch Umwelt- und Klimaschutz – das hat erst kürzlich wieder eine repräsentative Befragung der Österreichischen Wirtschaftskammer ergeben. 

Nachhaltigkeit bedeutet aber viel mehr. Es geht laut Brundtlandt-Definition aus 1987 um Enkeltauglichkeit. Das bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass zukünftige Generationen die Möglichkeit zu haben, ihre eigenen Bedürfnisse in gleicher Weise zu befriedigen. Davon sind wir – wenn wir ehrlich sind – schon weit weg, allein wenn wir an die unzähligen Arten denken, die wir in den letzten Jahrzehnten vernichtet haben. 

Im Unternehmenskontext kommt noch etwas hinzu: Bisher wurde Nachhaltigkeit oft sehr stark als Wohlfühlthema betrachtet, man hat sich zum Beispiel mit den SDGs, den Nachhaltigkeitszielen der UNO beschäftigt, man hat diese Ziele in bunte Broschüren gepackt. Geändert hat es nicht viel. 

Der Grund: Nachhaltigkeit – und damit auch die SDGs – ist in einer Art Parallelwelt geparkt. Peter Ulrich, ein berühmter deutscher Wirtschaftsethiker, nennt es das „2-Welten-Denken“ – hier das Business, dort die Verantwortung, hier der Gewinn, dort die Moral, hier das Unternehmen, dort die Nachhaltigkeit. Darum spreche ich im Unternehmenskontext auch viel lieber über Verantwortung und nicht über Nachhaltigkeit. Verantwortung lässt sich nicht in eine Parallelwelt parken. Verantwortung ist ein „unhintergehbares Prinzip“, wie Peter Ulrich sagt. Das bedeutet, sie ist da und wird auch eingefordert.

Der soeben skizzierte Umgang mit Nachhaltigkeit – oder CSR, Corporate Social Responsibility, wie es früher hieß – hat durch dieses 2-Welten-Denken in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass Unternehmen viele, oft durchaus schöne und sinnvolle, Projekte durchgeführt haben. Es blieben aber Einzelprojekte. Diese Projekte hatten zumeist nichts mit dem Kerngeschäft und dessen Auswirkungen und den dort entstehenden Schlüsselfragen und Problemen zu tun. Dieses Auseinanderklaffen heißt nicht umsonst in der Kommunikationswissenschaft „Credibility Gap“. Es hat zu Glaubwürdigkeitsproblemen und oft zu massiven Greenwashing-Vorwürfen geführt – vor allem bei Branchen mit schwierigem Kerngeschäft. 

Genau darum stecken viele Unternehmen jetzt in der mittleren Ebene, der Ebene der Prozesse. Dies geht einher mit einer immensen Lawine an Vorgaben und Regularien seitens der EU, von der Offenlegungsverordnung, den Reporting-Vorgaben über die Lieferkettenrichtline bis hin zur Green Claims Verordnung, die im Jahr 2025 kommen soll. Das bedeutet: Was freiwillig nicht klappt, das wird irgendwann zur Verpflichtung. 

Die Frage ist: Wie geht das nun zusammen – Transformation und Nachhaltigkeit? Was braucht es dafür? 

Um das zu beantworten, habe ich elf Thesen für Sie vorbereitet. Viele von ihnen klingen einfach und selbstverständlich – sind es aber ganz und gar nicht. 

Fangen wir mit der ersten These an: 

These 1: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit verlangt, aus der Zukunft heraus zu denken.

Wir alle haben gelernt, linear zu denken, also unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit in die Zukunft zu projiziieren. Das reicht hier nicht mehr. Transformation bedeutet Veränderungen auf allen Ebenen – fundamental und dauerhaft. Das heißt, wir müssen von der Zukunft heraus denken, und das in Kreisläufen und komplex. Das haben wir alle nicht gelernt, und das ist mühsam. 

These 2: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit bedeutet, an die Wurzeln zu gehen. 

Wir müssen bereit sein, auch an die Wurzeln der Probleme zu gehen, ob auf der Ebene des Wirtschaftssystems oder im Unternehmen. Das ist für mich auch immer das Hauptkriterium in der Beratung:  Die Frage: Meint es ein Unternehmen ernst? Ist Veränderungswille da? Ist man bereit, an die Wurzel des Problems zu gehen? Genau das ist übrigens auch die Definition von radikal: radix – es bedeutet die Gesellschaft umfassend, an der Wurzel zu verändern. 

These 3: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit ist unbequem und macht Angst. 

Dieses an die Wurzel gehen verlangt Mut und Größe. Das habe ich in vielen Prozessen erlebt, die manchmal auch abgebrochen wurden. Denn Veränderung ist unbequem. Veränderung macht Angst. Und diese Ängste muss man ansprechen. Ängste ignorieren oder schönreden hilft weder den Unternehmen noch der Gesellschaft – das sollten wir spätestens seit Corona wissen. 

These 4: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit hat viele Hürden

Es gibt eine große Reihe an Hürden und Vorurteilen zu überwinden. Das fängt an bei den politischen Abhängigkeiten, bei den Interessenstrukturen, es gibt mächtige Gegenspieler, oder auch völlig falsche Incentives. Ein Beispiel dafür sind die Subventionen für fossile Energieträger. Da liegen die weltweiten Konsumsubventionen für fossile Energien in den vergangenen Jahren in der Größenordnung von 300 bis mehr als 500 Mrd. US-$. Das sind immense Summen. 

Man darf nicht vergessen, unser gesamtes Wirtschaftsmodell der vergangenen 250 Jahre praktisch alternativlos auf fossile Energieträger zugeschnitten war. Dieses komplexe System muss jetzt grundlegend umgebaut werden. Dass das schwer ist hat schon John Maynard Keynes beschrieben – ich zitiere: „Es ist nicht so schwer, neue Konzepte und Strategien zu entwickeln, viel schwerer ist es, die alten Routinen und Leitbilder zu vergessen.“ 

These 5: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit geht nicht über die Regulatorik 

Wir haben derzeit eine Flut von Regularien, die seit dem Green Deal der EU vor allem auf größere Unternehmen zukommen. Diese Regulatorik ist einerseits notwendig, weil es freiwillig in den letzten 20 Jahren nicht geklappt hat, wie wir schon gehört haben. 

Gleichzeitig kommt man über die Regulatorik allein nicht weiter, wenn damit keine Änderung im Denken verbunden ist. Regeln sind im Bereich der Compliance einzuordnen, und Compliance heißt Befolgen und Umsetzen. Ich höre von vielen Unternehmen: Wir machen das, was wir müssen – und nicht mehr. Das bedeutet de facto viel legistischer Aktionismus und wenig Reflexion. 

Das Ergebnis: Viele – oft sehr engagierte – Nachhaltigkeitsbeauftragte in Unternehmen wie auch Organisationen geben frustriert auf, weil sie keine echte Veränderung bewirken.  

Darum ist klar: Es geht um das Wollen, nicht um das Müssen. 

These 6: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit verlangt eine andere Grundhaltung

Transformation beginnt im Kopf, und zwar im Kopf des Top-Managements, der Eigentümer:innen und des C-Levels. 

Antje von Dewitz – sie ist CEO des deutschen Outdoor-Herstellers VAUDE – hat ein Buch mit dem bezeichnenden Titel geschrieben „Mut steht uns gut“. Sie schreibt darin: „Wäre es nicht großartig, wenn wir einfach davon ausgehen könnten, dass die Produkte unserer Wahl ökologisch und fair hergestellt wurden? Wenn Marken ihre Kunden zum nachhaltigen und bewussten Konsum anregen, statt sie mit Tiefstpreisen zum Mehrkauf zu verlocken? Wenn Unternehmen sich für ihr gesamtes Handeln, auch in fernen Lieferketten, verantwortlich zeigen und sich mit großer Selbstverständlichkeit für das Wohl von Mensch und Natur einsetzen?“ 

Das bedeutet ganz klar: Es geht um eine Veränderung der Grundhaltung und eine Übernahme der Verantwortung – das, was wir in den letzten 30 Jahren „outgesourct“ haben, kommt nun zurück.

Genau das habe ich vor Jahren nach jahrelanger Arbeit mit Unternehmen in eine ganz simple Formel gegossen: Verantwortung basiert demnach auf 3 Säulen: Haltung, Reflexion und Handlung. Handlung allein ist zu wenig, doch die überwiegt derzeit. Das mündet in 300 Seiten dicke Nachhaltigkeitsberichte, in denen kein Wort der Reflexion enthalten ist. Doch um genau diese Reflexion geht es – auch bei der Nachhaltigkeitskommunikation. Es geht um Legitimierung als Ziel, um Rechtfertigung des Kerngeschäfts und seiner Auswirkungen – und diese Legitimierung kann ohne Reflexion nicht stattfinden.

These 7: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit verlangt langfristiges Denken

Nachhaltigkeit bedeutet laut Brundtlandt-Definition Enkeltauglichkeit. Das bedeutet für Unternehmen, weg vom Quartalsdenken hin zu langfristiger Orientierung zu kommen. Wir müssen bereit sein, vorausschauend auf Grundlage der Erkenntnisse der Wissenschaft zu handeln und diese langfristige Orientierung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu verankern, und zwar nicht nur durch Ziele, die gesetzt werden, sondern durch klare Umsetzungspfade, die auch eingehalten werden müssen. 

Was das ganze erschwert: Diese Transformation muss in einem engen Zeitfenster stattfinden, denn die Zeit wird knapp, wenn wir an das 2-Grad-Ziel im Klimaschutz denken – das 1,5 Grad-Ziel ist ohnehin schon nicht mehr realistisch. Das ist für komplexe Gesellschaften, gerade im Kontext internationaler Verhandlungssysteme, eine ziemliche Herausforderung, auch ohne irrationale Personen in politischen Funktionen, von denen wir offenbar immer mehr haben, vor allem wenn man aus Europa hinausblickt.

These 8: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit kostet – und bringt – Geld

Damit bin ich bei einem wesentlichen Punkt: Dem Geld. Niemand geringerer als Brigitte Ederer, langjährige Siemens-Vorständin und ehemalige SPÖ-Staatssekretärin, hat gefordert, dass wir um diese Transformation zu bewältigen, enorme finanzielle Mittel mobilisieren müssen. Genau dieses Faktum der Kosten wird im öffentlichen oder halböffentlichen Diskurs ausgenutzt, da es sich um eine unbequeme Wahrheit handelt. 

Allerdings passiert hier ein großer Denk- und Planungsfehler: Es werden Kosten mit Investitionen verwechselt. Darum würde ich sagen, Transformation kostet jetzt Geld, aber es rentiert sich auf lange Sicht – vor allem wenn man die gewonnene Lebensqualität als Wert einrechnet. Darum müssen wir – sowohl die Unternehmen als auch die Politik – viel klarer zwischen Investitionen und Ausgaben unterscheiden. Das passiert derzeit viel zu wenig. Das ist übrigens nicht nur meine Erkenntnis, auch Hartwig Löger, ehemaliger Finanzminister und CEO der Vienna Insurance Group – hat genau das kürzlich in einer Diskussion gesagt. 

These 9: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit verlangt ein modernes Leadership-Verständnis. 

Wir fangen ja zum Glück nicht bei null an. Es gibt bereits viele Positivbeispiele von verantwortungsvollen Unternehmenseigentümer:innen und Führungskräften. Das kann ich aus langjähriger Erfahrung bestätigen, zum Beispiel in meiner Funktion als Juryvorsitzende des TRIGOS, Österreichs Nachhaltigkeits- und CSR-Preis. Wir zeichnen seit über 20 Jahren Unternehmen und Vorbilder aus, und ich freue mich jedes Jahr wieder auf die Verleihung, denn so viel positive Energie findet man selten in einem Raum. 

Genau diese Vorbilder brauchen wir – mehr denn je. Wir brauchen Führungspersönlichkeiten, die über das Firmengelände hinausschauen und hinausdenken, die Verantwortung für die Mitarbeiter:innen wie auch die Gesellschaft übernehmen und nicht nur dem Unternehmen, sondern auch dem Gemeinwohl dienen. 

Responsible Leadership bedeutet flache Hierarchien und offene Türen. Es verlangt, dass alle mitreden dürfen, denn es ist völlig egal, wo die Idee herkommt. Viele grandiose Ideen kommen von Menschen, von denen man es am wenigsten erwartet. Die besten Führungskräfte sind diejenigen, die es schaffen, das Potenzial aller zu heben – und das geht nur mit flachen Hierarchien und mit offenen Türen.

Darum beginnen wir in der Transformations-Beratung immer mit den obersten Führungsebenen. Wir setzen uns mit ihnen zu den Herausforderungen und Fragestellungen auseinander, wie zum Beispiel mit der Frage, wie zukunftsfähig das Geschäftsmodell ist, aber auch wie glaubwürdig die Werte, Visionen und das Leitbild sind das sie haben – und wie sie sich in Zukunft aufstellen. 

These 10: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit bedeutet echter Dialog 

Damit sind wir bei einem Knackpunkt: Dem Dialog.  Ich bin in der NGO-Welt sozialisiert. Ich habe meine ersten Berufsjahre bei Greenpeace und Ärzte ohne Grenzen verbringen dürfen bzw. diese in Österreich mit aufbauen dürfen. Ich sage bewusst „dürfen“. Denn ich würde mir wünschen, dass Unternehmen sich hier viel mehr abschauen, anstatt die Non-Profit-Welt in eine Ecke von realitätsfernen Gutmenschen zu stellen. Das betrifft sowohl die Mitarbeitermotivation, aber noch viel mehr die Kommunikation: In guten, erfolgreichen NGO und NPO wird sehr viel gearbeitet – aber vor allem auch sehr, sehr viel geredet, hinterfragt und diskutiert. In Unternehmen erlebe ich oft eher das Motto: Zeit ist Geld, also arbeiten statt reden. Hier herrscht eher die Devise: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. 

Dabei ist das genaue Gegenteil der Fall: Dort wo diskutiert wird, wo der Freiraum da ist, zu hinterfragen – egal wo ich in der Hierarchie bin, dort herrscht eine offene Firmenkultur – und dort geht auch etwas weiter, dort passieren Innovationen. Denn Innovationen, neue Ideen können nicht im stillen Kämmerlein generiert werden, sie brauchen Interaktion, sie brauchen ein Team. Dort wo das erkannt und gefördert wird, dort dürfen auch Fehler passieren – und Fehler zugegeben werden. 

Es wird zwar immer wieder gesagt: „Bei uns herrscht eine offene Fehlerkultur.“ Aber wenn Sie dann hineinschauen, dann merken Sie: Niemand spricht über Fehler, viele vor allem in unteren Hierarchien trauen sich nicht zu widersprechen. Das höre ich auch aus vielen Vorlesungen, bei denen ich mit den Studierenden über ihre Berufserfahrungen spreche, wenn ich mit ihnen Dilemma Management betreibe und anhand von Case Studies durchspiele, inwieweit sie hinterfragen würden oder inwieweit sie sich auch einmal Nein sagen trauen, dann merke ich, dass hier teilweise Ohnmacht und absolute Stille herrscht. 

These 11: Transformation in Richtung Nachhaltigkeit braucht eine andere Sprache

Damit komme ich zum letzten und auch entscheidenden Punkt. Nachhaltigkeit wie auch Transformation werden heute zumeist als Bürde gesehen und kommuniziert, als Belastung, als großen Rucksack, den wir uns aufgeladen haben. Wir sprechen nicht umsonst vom CO2-Rucksack. 

Das muss nicht sein. Gerade jetzt gilt es, in Chancen zu denken und nicht in Belastung und Risiken. Allein schon aus Motivationsgründen. Mit halbleeren Gläsern holt man niemanden hinter dem Ofen hervor, das geht nur, indem man zur Verantwortungsübernahme motiviert und auch die Chancen dieser Transformation aufzeigt. Das geht – ich bin der lebende Beweis, denn das ist seit 15 Jahren mein Geschäftsmodell – und es macht großen Spaß. Dieses Chancendenken führt bis hin zur Umstrukturierung von Unternehmen, auch traditionelle Unternehmen. So hat zum Beispiel die Vienna Insurance Group ihre Abteilungen Strategie und Nachhaltigkeit zusammengelegt – und die Bezeichnung der neuen Abteilung heißt nicht zufällig Chancenmanagement. Damit sind Wording und Tonalität ganz klar vorgegeben – Nachhaltigkeit ist eine Chance und nicht in erster Linie eine Belastung.

Das bedeutet: Wir müssen unsere gesamte Kommunikation und auch unsere Sprache überdenken. Es braucht ein anderes, positiveres Narrativ – nicht nur in den Medien, auch in der Alltagskommunikation von Unternehmen und Organisationen.

Damit komme ich zu meiner Schlussfolgerung:

Wir sind an einer Systemgrenze. Die nächsten Jahre werden entscheidend.
Auf der gesellschaftlichen Ebene geht es um eine Zukunft mit Lebensqualität – auch für die nächsten Generationen. Auf der Unternehmensebene geht es um ein Schlüsselwort: Zukunftsfitness. Damit stellt sich nicht mehr die Frage: Kann sich ein Unternehmen Nachhaltigkeit leisten? Sondern – frei nach Watzlawick: Kann es sich ein Unternehmen heute überhaupt noch leisten, nicht nachhaltig zu sein?“

Das betrifft nicht nur das Geschäftsmodell, sondern auch den indirekten Business Case – über die MitarbeiterInnen und die Attraktivität am Arbeitsmarkt, vor allem bei jungen Menschen. Ich unterrichte derzeit an sieben Unversitäten und Fachhochschulen. Meine Studierenden achten genau, wo sie sich bewerben, welche Werte dort vorhanden sind.

Gelebte Nachhaltigkeit steht dabei ganz oben auf der Liste, aber viele Unternehmen haben dieses Potenzial noch bei weitem nicht erkannt. Darum beginnen wir als ZEITEN.WENDER den Prozess ganz oben – bei den Schlüsselfragen und -Problemen, bei den Grundhaltungen und den grundlegenden Business-Entscheidungen – also genau den Fragen, die ich skizziert habe.

Wir beginnen mit einer ausführlichen und fundierten Analyse aus vielen Richtungen – von den Entwicklungen im Umfeld über CSR- und ESG bis hin zu einer Anspruchsanalyse der Stakeholder und einer fundierten Analyse der Werte, bei der wir eine Due Diligence durchführen, das bedeutet wir schauen uns an welche Werte gelebt werden und welche nicht und was das Unternehmen tun müsste, um diesen Gap zu schließen. Und last not least ein Glaubwürdigkeits- und Greenwashing-Check, der gerade im Hinblick auf die kommende Green Claims Verordnung besonders wichtig ist, denn die wird die Klimakommunikation massiv verändern.

Dieser umfassende Ansatz in der Transformationsberatung, verbunden mit wissenschaftlich basierten Analysen, die wir nicht umsonst als Future Fitness Check bezeichnen, ist zugegeben viel komplexer als viele oft eher Marketing-orientierten Zugänge, vor allem beim Thema Werte. Aber er garantiert eine echte Auseinandersetzung und Reflexion seitens der Top-Ebene im Unternehmen.

Und genau das führt zu echter Transformation. Für Unternehmen und für uns alle.